Die erste Operation seines Lebens

Montag, 15.23 Uhr. Ich beginne diesen Post, weil ich meine wild kreisenden Gedanken im Kopf nicht mehr sortieren kann. Eigentlich wollte ich heute ja etwas zum ersten Wackelzahn meiner Tochter schreiben. Eine sehr schöne Geschichte! Aber es geht nicht. Alles dreht sich im Kopf.
Seit einer Woche weiss ich, dass Copperfield morgen endlich operiert wird. Rational weiss ich, dass es ein kleiner Eingriff ist. Die vielen Kommentare und geteilten Erlebnisse bei meinem Post Das Bauchgefühl einer Mutter sowie das Feedback bei Twitter beruhigen sehr und machen Mut. Ihr spendet mir Trost, ich danke euch so sehr!

Der Frosch muss mit.
Der Frosch muss mit.

Aber ich kann gerade nicht aus meiner Haut. Eines meiner Kinder wird morgen unter Vollnarkose operiert. Durch einen Schnitt in beiden Ohren werden Röhrchen eingesetzt und durch den Mund werden die Rachenmandeln entfernt. Seine Vorderzähne sind durch einen fiesen Sturz doch schon beschädigt, so dass Copperfield mein kleiner Vampir ist. Was, wenn bei der Intubation die Zähne weiteren Schaden nehmen? Ja, er kriegt einen Schlauch in den Hals, damit das Blut nicht in die Luftröhre gelangen kann. Wie ätzend klingt das denn?!

Ich werde morgen früh ganz alleine mit meinem kleinen Zauberer um 6.30 Uhr in der Kinderklinik ankommen. Ich werde ihn hierfür um 5.45 Uhr wecken müssen. Bis zur Autofahrt hilft mein Mann mir, danach kümmert er sich um LadyGaga. Copperfield darf nichts essen und nichts trinken. Ich muss ihm zwei verhasste EMLA-Pflaster («Zauberpflaster») auf die Handrücken kleben, damit die Fläche für den späteren Zugang schmerzunempfindlich ist. Er wird müde sein. Gereizt. Und laut. Mir graut davor, ein aufgebrachtes wütendes 12-Kilo-Bündel in die Klinik zu bringen.

Im Zimmer erhält er als erstes «Scheiss-drauf»-Tropfen. Gut, gibt es so etwas. Ich darf bei ihm sein bis zur OP-Schleuse. Mir wurde alles ganz genau erklärt. Ich vertraue dem Klinikteam. Copperfield wird in der Schleuse ohne mich verkabelt (Pulsoxymetrie etc.). Er erhält dann eine Maske mit nach Schokolade riechendem Anästhetikum vors Gesicht (ich durfte aussuchen zwischen Vanille, Erdbeere und Schokolade). Er darf sein Lieblingskuscheltier mitnehmen, wird vom Team abgelenkt und bespasst, bis er einschläft. Das ist die Theorie. In der Praxis bedeutet das: Ich bin nicht dabei. KONTROLLVERLUST. Ich kann seine Hand nicht halten. Wird er Angst haben? Oder ist er schnell genug im Schlummerland? Was wird er spüren, wenn er aufwacht? Nur zu gut weiss ich noch, wie schlimm meine eigene Mandel-OP bzw. das Aufwachen danach war. Ich war fünf Jahre alt und damals waren Eltern auf der Aufwachstation nicht erlaubt…. Sowohl ich selber als auch meine eigene Mama haben ein Trauma als Souvenir mitgenommen.

Es zieht sich alles zusammen in mir. Ich kann nicht helfen und nur abwarten. Und mir wird übel, während ich das schreibe. Da ist sie wieder, diese verhasste mütterliche Ohnmacht. Dabei bin ich doch ein Kontrollfreak.

Ich habe den Koffer gepackt und Copperfields Lieblingsspielsachen und Kuscheltiere dabei. Bestimmt geht alles gut! Ich bin stark, ich trage meinen Sohn und meine Familie. Ich werde auch morgen stark sein. Aber ein bisschen Glitzer könnte grad nicht schaden. Stattdessen regnet es draussen ohne Ende.

Denkt morgen an uns!

25 thoughts on “Die erste Operation seines Lebens

  1. Ich denke ganz fest an euch!
    Ich musste meinen Sohn auch im Alter von 1,5 Jahren ab der OP-Schleuse alleine lassen. Vor der unerwarteten OP hatte ich allerdings auch nur 4 Stunden Zeit, mich verrückt zu machen.
    Es ist natürlich alles gut gegangen und er wurde von den Schwestern ganz liebevoll begleitet.
    Kopf hoch!

    1. Ich werde Deine Worte beherzigen XP Mal schauen, was aus Copperfield beruflich wird. Momentan sieht es ja eher nach Berufsautofahrer aus.

  2. Ich wünsche euch unglaublich viel Kraft und das alles gut wird. <3

    Bis jetzt klingt doch alles prima, ich hätte mir sowas für die Op meiner Tochter (damals 2 1/2 Jahre und wurde am Magen operiert) gewünscht, aber um uns hatte sich keiner gekümmert. Ich wusste noch nicht mal dass das Anästhetikum nach Schokolade riechen könnte. Das wird bestimmt sehr schön mit so ein Geruch einzuschlafen. 😉

    Lg Coline

    1. Ich wusste das mit der Schokolade auch nicht und war ganz erstaunt. Ich finde, das wäre auch bei uns Erwachsenen nicht übel… 😉

  3. Ich wünsche dir ganz viel Glitzer und deinem Sohn eine ganz problemlose OP, an die er sich bestenfalls nicht erinnern kann…
    Ich schätze ihr seid in Züri in der Kinderklinik und die sind wirklich kompetent dort. Falls ihr dannach noch eine Nacht bleiben müsst wünsche ich euch zudem, dass nicht viel los ist und ihr ein ruhiges Zimmer bekommt, damit ihr beide euch schnell erholen könnt!

    1. Vielen Dank <3. Wir sind am KSA in Aarau. Und wir bleiben über Nacht. Ich habe einen Aufpreis (CHF 50) bezahlt, damit wir alleine im Zimmer sind…

        1. Ich war bei LadyGagas obstruktiver Bronchitis (2 Nächte im KH) mit einer sagen wir mal sehr extrovertierten Familie im gleichen Zimmer. Wenn es geht: Never ever again…

  4. mir wird selbst ganz flau im Magen beim Lesen.
    Grauslige Vorstellung.
    Und dennoch: Ich denke fest an euch. Und schicke dir eine feste Umarmung für den Moment, in dem du ihn ‚loslassen‘ musst. Und ein Herzchenlufzballon, wenn er dich das erste Mal wieder anguckt.
    Alles Gute ?
    Mara

      1. Ich erinnere mich übrigens an die OP bei mir als kleines Kind. An den Narkose-Moment, und zwar GAR nicht negativ, ich bin schön sanft eingeschlafen und die Leute im OP waren so lieb. und an viele Geschenke und viel Eis im Krankenhaus ?

  5. Die gleiche OP hatte unserer auch schon. Ich hatte großes Vertrauen zur Klinik und den Ärzten, war aber trotzdem natürlich sehr nervös bzw aufgeregt.
    Es ist aber alles gut gegangen, aber im aufwachraum hat er phantasiert und geweint – das war nicht schön, hat sich aber nach einer Std gegeben.

    Dass er dann ganz viel Eis essen durfte (um den Hals zu kühlen) hat er positiv in Erinnerung behalten – von der OP weiß er nix mehr.

    Das wird schon, hab vertrauen ✊??

  6. Mhhhh. OK, Du weißt das mit dem Aufwachen. Meine Tochter hat kein Trauma davon getragen (die erinnert sich einfach nicht mehr – und die war schon 4 bei der gleichen OP). Aber ich war total geschockt, weil sie nicht sie selbst war und versucht hat, sich den Schlauch rauszureißen und gejammert hat und ich dachte OMG – die hat total Schmerzen. HATTE SIE ABER NICHT. Sobald sie komplett aufgewacht war, war alles bestens. Deshalb schreibe ich Dir: Ganz oft sind die Kinder einfach nur verwirrt und desorientiert. Nur weil Du ein Trauma hattest, muss Copperfield das nicht auch kriegen. Versuch ganz bei Dir zu bleiben und (ich weiß, hast Du eh vor) ihm Ruhe und Halt zu geben, damit er schnell wieder bei sich ankommen wird. Mit Deinem Vorwissen wirst Du das sicher ganz ganz toll machen und es wird auch alles gut gehen. Ich denke an Dich und ihn morgen! Das wird. Toitoitoi!

    1. Danke. liebe Svenja <3. Man hat mir gesagt, dass ich ihn nicht mit dem schlauch sehen werde, sondern direkt danach, wenn er noch dizzy und desorientiert und am Aufwachen ist. Es gibt da wohl so eine Übergangsphase. Ich habe einen Heidenrespekt vor dieser Situation, bin jetzt aber gewappnet durch die Erzählungen hier. Das tut gut! ich bin lieber gut informiert als verunsichert durch Unwissen. Und Deinen Tipp werde ich beherzigen: Bei mir bleiben und meinem Sohn Ruhe und Halt geben. Nochmals Danke!!

  7. Ich denke an euch und schicke positive Gedanken und Glitzer aus dem österreichischen Burgenland. Internationaler Glitzer sozusagen ?

  8. Bei uns hat Stillen geholfen, die Übergangsphase zum Wachen ohne Desorientierung zu überstehen, Kind war nach ner halben Stunde quiekfidel und kann sich an nix erinnern. Weiß ja nicht, ob ihr diese Möglichkeit noch habt und nutzen möchtet. Alles Gute! *Glitzer rüber pust*

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