Salto Mortale, Teil I

Ich fang jetzt einfach an, sonst getraue ich mich eh nie… Ich starte mit meinem Roman. Keine Ahnung, wo es mich hinführt und ob ich mich unterwegs verfange oder aufgebe. Fehler sind erlaubt. Ich flieg jetzt einfach mal los. Viel Spass beim Lesen! Und: Seid gnädig 😉

 

(c) Fotolia

 

Lachend umarmte sie Philipp. Endlich waren sie in Monte Carlo, der Stadt des Vergnügens, des Risikos, des Jetsets. Philipp schien darüber jedoch nicht sehr froh zu sein, sondern schob ihre Arme von sich, als sie sich zärtlich an ihn drücken wollte. „Lass gut sein, Amelia. Es ist nur Monte Carlo und kein Weltwunder. Mein Magen macht 1000 Umdrehungen, so schlecht ist mir, und ich sollte nach der langen Autofahrt wirklich dringend auf die Toilette.“

Sie verstand ihn. Philipp hatte am Vorabend in Nizza ein Dutzend Austern gegessen, die wohl nicht mehr ganz frisch gewesen waren – zumindest beklagte er seither stündlich seine Übelkeit. Sie hatte eine Auster probiert, danach aber dankend abgelehnt. Er hingegen hatte die ganze Portion gegessen, da die Austern „schliesslich teuer genug“ gewesen seien.

Sie trottete mit gesenktem Kopf neben ihm her, als sie aus der Tiefgarage nahe des Casinos an die frische Luft gelangten. Er atmete auf, und sie tat es ihm gleich, hob beglückt ihren Kopf.
Amelia hatte sich gewünscht, Hand in Hand in Monaco mit Philipp spazieren zu gehen. Aber sie zweifelte an der Durchführbarkeit ihres Wunsches: Philipps ganze Körperhaltung drückte aus, dass er nicht berührt werden wollte – und zwar an keiner Stelle.

Sie fröstelte. Für April war es ganz schön kühl am Mittelmeer. Wann würde sie endlich ins Casino gehen können? Vielleicht würde sie ja dort auch auf Fürst Albert oder seine Gattin Charlène treffen?

Diese vielen Menschen! Die Menge der Leute erschlug sie regelrecht und liess nicht nur sie erstarren. Philipps Miene versteinerte sich, dann wurde sie finster. „Diese Ansammlung von Körpern ist ja ungeheuerlich. Lass uns schnell in ein Restaurant gehen, damit ich dort die Toilette benutzen kann. Dann sehen wir weiter. Einverstanden?“ Seine Stimme war gereizt, so dass Amelia nur resigniert nicken konnte. Er schien aber auch nicht wirklich auf ihre Antwort gewartet zu haben, sondern lief bereits zielstrebig los, um ein Restaurant zu finden.

Wollte er jetzt wirklich etwas essen? Sie hatte überhaupt keinen Hunger, vielmehr lechzte sie danach, endlich das Spielcasino zu betreten und die Leute dabei zu beobachten, wie sie sich um Kopf und Kragen spielten. Sie wollte das Fieber des Wagnisses auch in sich aufkeimen spüren, ja, sie wollte spielen und das Glück herausfordern.

Vor sich sah sie das pompöse Casino in den Himmel ragen. Es war wunderschön, im Stile der Belle Epoque gebaut, mit einer breiten Treppe, an deren oberen Ende livrierte Lakaien standen. Die Farbe des Steins entsprach am ehesten einem warmen écru – Eierschale. Erstaunt beobachtete sie aus der Ferne, wie die uniformierten Angestellten die Rucksäcke der eintretenden Touristen überprüften und ihnen offensichtlich Anweisungen gaben, wo sie die Taschen zu deponieren hatten. Das Ganze erinnerte sie an das Gebaren von Polizisten bei einer Demonstration oder einer Grosskontrolle bei einem Konzert. Kopfschüttelnd drehte sie sich nach links ab, denn dort wartete Philipp ungeduldig. Sie wollte ihm von ihren Beobachtungen berichten, aber er stand bereits mit kühler Miene vor einer Brasserie und blickte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Kommst Du endlich? Die haben garantiert eine Toilette hier.“ Seine Mundwinkel verzogen sich krampfartig, er hielt sich den Bauch. Also verzichtete sie auf eine weitere Reflexion ihrer Überlegungen zum Casino. Sie betraten das französische Restaurant, das ganz einfach „Café de Paris“ hiess.

Kaum sassen sie an dem ihnen zugeteilten Tisch im Gartenrestaurant, als Philipp auch schon aufstand und sich kommentarlos, aber immerhin achselzuckend auf die Suche nach der Toilette machte. Amelia blieb alleine zurück und schaute interessiert in die unzähligen Gesichter, die sie umgaben. Sie genoss die vielen neuen Eindrücke, versuchte, sie einzuordnen und liess ihren Gedanken freien Lauf. Stimmen fremder Sprachen drangen an ihr Ohr und liessen sie träumen von anderen Kontinenten, neuen Welten und Abenteuern. Sie hatte gedankenverloren die Menükarte aufgeschlagen und wusste mit einem Blick, dass sie nur einen Salat nehmen würde. Sie hatte keinen Hunger. Amelia klappte den ledernen Einband wieder zu.

Der Kellner liess auf sich warten, von Philipp ganz zu schweigen. Wann konnte sie endlich ins Casino gehen? Das alte Gemäuer hatte sie auf den ersten Blick fasziniert. Wie es wohl von innen aussah? Sie versuchte, von ihrem Platz aus noch einmal einen Blick darauf zu erhaschen, doch die Büsche und die Menschen, die um sie herum sassen, versperrten ihr die Sicht.

Enttäuscht liess sie ihren Blick wieder auf die Menge gleiten, die lachend, still, schmatzend, schreiend und schimpfend einen Mikrokosmos zu bilden schien. Laute Menschen waren ihr eigentlich ein Gräuel, doch sie war nicht zuhause, hatte ausserdem keine Bauchschmerzen und keinen Grund, unglücklich oder unzufrieden zu sein.

Philipp war immer noch nicht von der Toilette zurück, und der Kellner schien sie ignorieren zu wollen, solange sie noch alleine am Tisch sass. Sie langweilte sich und wünschte sich den Salat herbei, damit ihre Hände beschäftigt waren. Intuitiv griff sie nach ihrer Zigarettenpackung, fischte eine Zigarette heraus und zündete sie an. Gierig zog sie am Filter, musste dann jedoch unvermittelt husten. Sie zog nochmals an der Kippe. Ihre Nerven brauchten Beruhigung, also ignorierte sie das aufdringliche Kratzen im Hals.

Langsam blies sie den Rauch aus ihren Lungen wieder an die Luft ausserhalb ihres Körpers. Sie atmete tief. Da bemerkte sie es. Inmitten der unbeteiligten Menschenmasse, die sie ignorierte oder ganz einfach nicht wahrnahm.

Jemand beobachtete sie.

5 thoughts on “Salto Mortale, Teil I

  1. Liest sich sehr gut und spannend! Aber ich mag keine Cliffhanger….. buhuahua…
    Nein, Spass beiseite. Ich finde es beeindruckend, wie man sich einfach so Geschichten ausdenkt und dann auch noch gekonnt zu Papier bringt. Hut ab und bin gespannt auf die Fortsetzung.
    Herzlichst Joevlin

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