Aberglauben in der Schwangerschaft

Gerade in der Spätschwangerschaft wird man ja sehr viel auf das Geschlecht des ungeborenen Babys angesprochen («Und, wisst ihr schon, was es wird?»). Dabei sieht man im Gesicht des Gegenübers, meist einer Frau, den hungrigen Blick nach Information – den ich im Übrigen total nachvollziehen kann, weil ich ihn auch drauf hab. Es ist ja sooo spannend, irgendetwas über Schwangere zu erfahren, weil man sich in die eigenen Schwangerschaften zurückversetzen kann.

Oder es wird gefragt: «Habt ihr schon einen Namen?» Da ist der Blick zwar weniger hungrig, weil jede Mutter schliesslich WEISS, dass man das im Vorfeld nicht sagt und nicht fragt. Never. Ever. Zu gross die Möglichkeit, dass man sich als Eltern mit dem Namen doch noch umentscheidet. Oder dass das Gegenüber sagt: «Ohh….. sehr äh originell. Äh… und was macht ihr Freitag?» oder: «Nennt es doch XY, das ist so ein schöner Name. Also XY passt ja überhaupt nicht zum Familiennamen.»
Also schweigt man beharrlich.
Aber das sind nicht die einzigen Gründe für das Schweigen der Schwangeren. Es hat auch mit Aberglaube zu tun. Oder anders formuliert: Über ungelegte Eier spricht man nicht.
Warum eigentlich?
Im Mittelalter starb bis zu einem Drittel der Kinder bei der Geburt. Kaum zwei Drittel erreichten das fünfte Lebensjahr und nur etwa die Hälfte erlebte das Erwachsenenalter. Die Geburt stellte für Mutter und Kind ein erhebliches Sterberisiko dar. Hauptgrund hierfür dürfte auch heutiger Sicht sicher die mangelnde Hygiene gewesen sein. Damals und noch vor der Zeit der Aufklärung aber umgab eine Fülle diffuser Ängste und merkwürdiger Bräuche die Zeit der Schwangerschaft, bei der der Tod allgegenwärtig war. Viele der Bräuche und Vorstellungen muten heute eigenartig an – und doch, bei genauerem Hinsehen erkennen wir Aspekte unserer eigenen Schwangerschaften wieder.
Hier eine Zusammenfassung mit 10 mittelalterlichen und aktuellen Vorstellungen von der Schwangerschaft ohne Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit:
  • Eine Schwangere soll keine hässlichen Tiere oder missgestalteten Menschen sehen, da die Eigenschaften sonst auf das Kind übertragen werden. Generell sollten wir Schwangeren nur schöne Dinge sehen, damit das Kind auch schön wird.
  • Schwangere durften keiner Hinrichtung beiwohnen. Klingt ja ganz angenehm. Aber habt ihr euch schon einmal gefragt, warum wir heute noch ein mulmiges Gefühl haben, wenn wir während der Schwangerschaft vom Tod von anderen Kindern, Mord und Totschlag hören….? Ausserdem hält sich heute noch hartnäckig der Aberglaube, dass eine Schwangere an keiner Beerdigung teilnehmen sollte – das Kind stirbt sonst ebenfalls.
  • Das Verhalten der werdenden Mutter konnte sich negativ oder positiv auf das Kind übertragen. Altbackene Vorstellungen? Als ich in der ersten Schwangerschaft hormonell bedingt sehr viel weinte, meinte meine Mutter, ich dürfe nicht so viel weinen, das übertrage sich sonst auf das Baby.
  • Die Wiege eines Kindes darf vor der Geburt nicht geschaukelt werden, sonst weint das Kind später viel. Irrsinn? Wie sieht denn Euer Babyzimmer aus, bevor das Baby da ist? Denn ein weiterer Aberglaube besagt: Das Kinderzimmer sollte man nicht vor dem 7. Monat einrichten, sonst gibt es eine Fehlgeburt. Auch Babykleider sollte man nicht vor der Geburt kaufen. Bei der ersten Schwangerschaft habe ich mich da echt ein wenig nervös daran gehalten («man weiss ja nie…»). Diesmal haben wir alles im Vorfeld besorgt und organisiert. Aber das Babybett ist immer noch leer, ohne Schlafsack. Der macht mich irgendwie nervös, so lange Junior noch nicht auf der Welt ist.
  • Essen: Eine Schwangere soll essen, was ihr schmeckt, damit das Kind später nicht wählerisch beim Essen wird. Ausserdem: Die Vorlieben der Mutter übertragen sich später auf das Kind. Stimmt’s oder stimmt‘s nicht? Hier könnte medizinisch ja schon ein Funken Wahrheit drin stecken…
  • Man behüte eine schwangere Frau vor Ärger oder Schrecken und verschone ihr Haus vor Belästigungen. Das gilt doch heute noch?!
  • Eine Schwangere soll nicht unter einer Wäscheleine hindurch gehen, sonst wickelt sich die Nabelschnur um das Kind. Aus demselben Grund darf sie auch nicht stricken oder häkeln. Da besteht bei mir ja keine Gefahr.
  • Eine Frau, die ein Kind erwartet, darf bei einem Brand in der Aufregung nicht mit der Hand über ihr Gesicht fahren, sonst bekommt das Kind im Gesicht ein Feuer(!)mal. Auch wenn sie sich erschreckt, kriegt das Kind ein Muttermal. Überhaupt gibt es viele mittelalterliche Gründe, warum ein Kind dank der Mutter ein Feuermal oder Muttermal bekommt.
  • Eine Kette aus Fuchs- oder Wolfszähnen wird dem Kind um den Hals gehängt, um das Zahnen zu erleichtern. Aus heutiger Sicht befremdlich? Wie funktioniert das medizinisch nochmals genau mit der Bernsteinkette??
  • Häufig findet man in Europa übrigens bis heute den Brauch, die Plazenta zu vergraben und darauf einen sog. Lebensbaum für das Kind zu pflanzen.

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