Unser Familienmodell

Wir sind zu viert. Aber irgendwie scheiden sich wohl doch die Geister, was dieses «zu viert» eigentlich bedeutet. Wir sind nicht mehr zu dritt. Wir sind ein Viererpack, ein Quadrat mit vier Ecken. Wenn dem nicht so wäre, wären wir ja ein Dreieck. Sind wir aber nicht. Was ist daran so schwer zu verstehen?

Marktlücke entdeckt
Am Wochenende war ich an einem Babymassage-Kurs, der mir geschenkt worden ist. Ich habe bei der Anmeldung nachgefragt, ob mein Mann und LadyGaga auch dabei sein könnten. Ich erhielt eine Absage von der Kursleiterin, weil sie und die anderen Kursteilnehmer sich «durch das grössere Kind gestört fühlen könnten». Ich war verärgert, habe aber den Kurs trotzdem gemacht. Es waren vier Babys da, zwei Mütter und zwei Elternpaare. Ich war alleine mit Copperfield, da mein Mann in der Zwischenzeit mit LadyGaga unterwegs war. Und ich war die einzige Zweifachmama. Während der ganzen Massage haben sich die Babys abgewechselt mit Schreien. Es wurde gestillt, Fläschchen gegeben (ich), Windeln gewechselt. Man hörte mit einem Ohr der Kursleiterin zu, die übrigens keine Kinder hat. Mit dem anderen Ohr war man bei den Bedürfnissen des Babys, das nun mal nicht dachte: «Oh, Massage, da dreht sich jetzt alles mal nur um mich, also schön still sein.»
Fazit: LadyGaga hätte überhaupt nicht gestört, sondern Freude daran gehabt, mit ihrem Bruder etwas zu erleben. Der Lärmpegel war ausserdem sowieso auf Baby eingestellt. Und die anderen Eltern hätten gesehen, wie toll es sein kann, zwei Kiddies zu haben. Offensichtlich ist nur die Beziehung zum Baby fördernswert, nicht aber diejenige in der Familie. Eine Marktlücke! Wäre es nicht schön, wenn es Angebote für Babys gäbe, die die älteren Geschwister integriert?! Ich meine ja nicht, dass LadyGaga ihren Bruder massieren soll. Aber es wäre aufregend für sie gewesen, an dem Kurs mit ihrem Bruder teilzunehmen.

Muss man das Baby wirklich exklusiv bespassen?
Irgendwie scheint die generelle Meinung zu sein, dass wir den Kleinen exklusiv halten müssen, dass es «Copperfield-Zeit» geben muss. Aber das sehe ich überhaupt nicht so. Das ist vorbei an der Realität. Ich verbringe ja bereits Stunden alleine mit ihm, beim Wickeln, beim Knuddeln, beim Fläschchen geben, beim Singen und Schlafen. LadyGaga hält sich brav zurück, sie mosert nicht (oder nur selten), wenn ich mit Copperfield knuddle. Warum also muss es noch mehr exklusive Zeit für ihn geben, wenn da noch ein anderes Kind ist? Warum muss ich das Baby in Watte packen? Sicher, beim ersten Kind ist das noch anders. Aber LadyGaga ist nun mal schon da. Am Anfang hat es mich geärgert, wenn sie ihn mit ihren Knuddeleien an seinen Fingern geweckt hat. Mittlerweile denke ich: «Hey, sie wird immer seine grosse Schwester sein, er gewöhnt sich lieber schnell daran. Er ist nun mal der Zweitgeborene, das ist sein Platz. Dafür wird er immer unser Nesthäkchen sein.» In seinen Alltag gehört LadyGaga dazu, weil sie für ihn schon von Beginn an da war, er ist in diese Situation hineingeboren worden. Warum also muss ich meine Tochter jetzt plötzlich wieder ausklammern?

Wir sind ein Viereck, mit allen Ecken und Kanten
Ich erinnere mich an ein Erlebnis aus meiner Pärchen-Zeit. Ich war rund ein halbes Jahr mit meinem Mann zusammen und zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. Ich fragte bei meiner Freundin nach, ob ich meinen Freund mitbringen dürfe. Sie wurde verlegen und meinte so etwas wie: «Äh, nein, lieber nicht, es ist nur ein kleiner Kreis und so…» Ich war wie vor den Kopf geschlagen, denn es war eigentlich eine gute Freundin gewesen und ich wusste, dass ich mit diesem Mann zusammenbleiben würde. Und der Kreis an der Feier war im Endeffekt nicht klein, es waren sicher 20 Nasen, darunter viele Pärchen.
Natürlich gibt es mich auch ohne Mann, ohne Kinder. Und es gibt Veranstaltungen und Einladungen, wo ich meinen Mann und meine Kinder sicher nicht mitschleppe. Aber wir sind ein Viereck, mit allen Ecken und Kanten. So sieht unser Familienmodell aus. Und wer das nicht verstanden hat, soll uns bitte in Ruhe lassen. 

Ich bin sehr gespannt auf Eure Meinung. Seht ihr das genauso oder übertreiben wir?


2 thoughts on “Unser Familienmodell

  1. Ich gratuliere Dir zu dieser ganz und gar realistischen, entspannten und wunderbaren Einstellung. Der Satz "Er ist nun mal der Zweitgeborene, das ist sein Platz. Dafür wird er immer unser Nesthäkchen sein." ist genau das, woran ich mich monatelang abgeplagt habe, weil ich es nicht verwinden konnte, das mein Zweitgeborener nicht diegleiche Exklusivaufmerksamkeit von mir bekommt wie die Erste. So ist es aber nunmal. Das ist die Welt, das ist Familie. <3

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