Der Tag, an dem ich Mutter wurde

Ich hatte mich, wie ich dachte, hervorragend auf die Mutterschaft vorbereitet, sämtliche Magazine verschlungen, Newsletter bei Schwangereren-Foren abonniert, in Hibbel-Foren kommentiert, Geburtsvorbereitungskurse besucht. Ich war so so aufgeregt und voller Vorfreude. Ich hatte keine konkrete Vorstellung von der Mutterschaft. Ich wusste nur, dass sie jetzt da sein würde: unsere LadyGaga, unser heiß ersehntes Wunschkind.

Die Tage in der Klinik nach der Geburt waren ein Alptraum. Meine Ansprüche an mich selbst und die Realität kollidierten miteinander. Das Stillen funktionierte nicht (anderes Thema). Ich fühlte mich zu jedem Zeitpunkt vom Pflegeteam fremdbestimmt. Da war dieses Baby, das jetzt meins sein sollte, aber ich hatte keine Macht, darüber zu bestimmen, was mit uns geschieht. Ich war gelähmt und verunsichert und so so müde von der schwierigen Geburt.

Ungefähr am zweiten Tag nach dem Notfallkaiserschnitt lag ich in meinem Krankenhausbett, LadyGaga schlief neben mir im durchsichtigen Babybettchen. Ich bestaunte sie. Ich dachte: «Ach, es wäre so schön, wenn sie jetzt auf meiner Brust kuscheln könnte.» Und da spürte ich es zum ersten Mal. Da war dieser Gedanke: «Wer soll mich denn davon abhalten?! Es ist MEIN Kind!» Ich nahm die schlafende LadyGaga aus dem Bettchen und kuschelte selig mit ihr. In dem Moment bin ich Mutter geworden.

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Am nächsten Tag hatte ich mich gerade gemütlich zum Mittagessen an den Tisch im Krankenhauszimmer hingesetzt, als LadyGaga anfing zu schreien. Ich überlegte nur kurz, dann nahm ich sie aus dem Bettchen, hielt sie in meinem linken Arm, während ich einhändig und hastig weiter aß. Und ich wusste: Das war ein Vorgeschmack auf das, was mich in Zukunft erwarten würde. Die Unterordnung aller eigenen Bedürfnisse. Ich war tatsächlich Mutter geworden. Es fühlte sich gut an.

Als wir fünf Tage nach der Geburt gemeinsam mit meinem Mann die Klinik verließen, gingen wir zuerst zu meinem Frauenarzt in die Praxis, wo wir Eltern uns gegen die Vogelgrippe impfen ließen, die damals in aller Munde war. Wir wollten unser Kind so gut es geht aktiv beschützen. Ich war Mutter geworden, ich hatte Verantwortung für das kleine Bündel, das ich wirklich über ALLES liebte.

Zuhause stellten wir den MaxiCosi mit dem Baby auf den Tisch und schauten uns glücklich, aber auch voller Panik an. «Was machen wir jetzt?!» Ich hatte trotz aller Theorie, trotz aller Vorbereitung tatsächlich keine Ahnung, was ich jetzt machen sollte. Ich war überfordert.

Ich werde oft gefragt, wann ich mit dem Bloggen angefangen habe – bei LadyGagas Geburt? Tatsächlich habe ich erst 2011 angefangen, aktiver auf «Mama on the rocks» zu schreiben. Aus heutiger Perspektive war ich wohl eine unsichere Erstmama und hatte lange das Gefühl, alles falsch zu machen. Das hat viele Ressourcen absorbiert, mich schreibtechnisch komplett gelähmt. Ich war blockiert durch negative Gedanken mir selber gegenüber, war überzeugt, dass mein Kind mich unmöglich lieben kann.

Das alles änderte sich erst an dem Tag, als LadyGaga zum ersten Mal sagte: «Mami, ich hab Dich lieb!». Da bin ich Mutter geworden.

Und als ich mit der zweijährigen LadyGaga tagelang in der Klinik war, weil sie an einer obstruktiven Bronchitis litt und Sauerstoffzufuhr benötigte, bin ich über mich selber hinausgewachsen und von der panischen, hysterischen Mama zur abgeklärten, beherrschten und zum Wohle des Kindes organisierten Mama geworden. Ich habe meine Ängste so gut es ging hintenangestellt und mich nur um LadyGaga gekümmert. Sie brauchte mich. Da bin ich Mutter geworden. Und als LadyGaga leider zum Beisskind wurde und meine beste Freundin mich beschuldigte, das Kind falsch zu erziehen und ihr eigenes vor LadyGaga beschützen zu müssen – da bin ich zur Löwenmutter geworden.

Heute vor sechs Jahren, ebenfalls an einem Sonntag, ist dieses wunderbare, einmalige Geschöpf zu uns gekommen, das ich mit Stolz mein Kind nennen darf. Sie hat mich gelehrt, was Mutter sein wirklich bedeutet: bedingungslose Liebe. Viel Unsicherheit. Auch Arbeit. Viel Schimpfen, aber so viel gemeinsames Lachen und Freuen.

Irgendwie werde ich jeden Tag aufs Neue Deine Mutter, LadyGaga. Mutter sein bedeutet mehr, als nur perfekt sein zu wollen. Mutter sein hat so viele Facetten! Durch Dich lerne ich so viel auch über mich und über das Leben. Du bist mein Kompass! Ich würde für Dich sterben, alle Hindernisse zu Deinem Glück aus dem Weg räumen. Ich bin Dein Bodyguard, beschütze Dich vor dem Bösen dieser Welt so gut es geht und so lange das noch möglich ist. Du bist die beste Tochter, die ich mir nur wünschen kann.

Der Tag, an dem ich Mutter wurde, ist der 22. November 2009, 4.04 Uhr.

6 thoughts on “Der Tag, an dem ich Mutter wurde

  1. Mit einer Träne im Auge sage ich: Wunderschön geschrieben, ich kann Vieles gut nachfühlen, habe die Tage nach der ersten Geburt ähnlich empfunden! Herzlichen Glückwunsch zu deinem 6. Geburtstag, liebe Lady Gaga!!! Du kannst wirklich stolz sein, so eine tolle Löwenmama zu haben!

  2. Herzlichen Glückwunsch, LadyGaga!
    Und ja, die Tage im Krankenhaus waren auch für mich fürchterlich. Totalüberwachung, jeder sagt was anderes, ich wollte nur heim. War ich froh, als ich endlich zu Haus war…
    LG Katrin mit N.

  3. Awww����
    Das ist so schön, ehrlich! Und an diese elendige Krankenhaus-Fremdbestimmung kann ich mich auch noch gut dran erinnern.
    Hachz… alles Gute euch!

  4. So schön geschrieben! Und so doof, dass du dich hast fremdgesteuert gefühlt hast im Krankenhaus – obwohl ich ganz anders an die Sache gegangen bin (keine Zeitschriften, Bücher, kein Geburtsvorbereitungskurs oder sonst etwas), weiß ich, was du meinst. Weil es da diese Instinkte gibt. Und man einfach nicht verstehen kann, wie andere Menschen in diese Instinkte hineinreden können…

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