1. Familien-Forum des Schweizer Fernsehens

Letzte Woche war ich geladener Gast am 1. Familien-Forum des Schweizer Fernsehens SRF.


Zuerst war mir nicht ganz klar, was es mit diesem Forum auf sich hatte. War es eine Fernseh-Show, eine TV-Debatte? In der Anmeldebestätigung stand, dass nur für interne Zwecke gefilmt wird. Neugierig war ich allemal. Das Line-up war attraktiv und so war ich sehr gespannt auf den ganztätigen Event, für den ich extra eine ebenfalls ganztägige Sitzung verschoben hatte.

Andrea Jansen von Any Working Mom eröffnete den Vortragsreigen mit einer Präsentation zur perfekten Mutter aka «Familienmanagement 4.0», einer Mutter, die es eben nicht gibt. Sie machte auf humorvolle Weise deutlich, wie sehr wir uns zwischen den Anforderungen der Gesellschaft, die noch aus dem 18. Jahrhundert stammen, und unserer Realität aufreiben.

Der Professor für Medienpsychologie Daniel Süss sprach zum Thema «Spannungsfeld Familie und digitale Medien». Er präsentierte Studienergebnisse, wonach es zum Beispiel zu Fütter- und Einschlafstörungen bei Säuglingen kommen kann, wenn die Mutter während der Säuglingsbetreuung parallel digitale Medien nutzt (BLIKK-Studie). Prof. Süss verteufelte Smartphones und Social Media aber nicht. Vielmehr plädierte er für Phasen der erlaubten Nicht-Erreichbarkeit und klare Umgangsregeln bezüglich des Medienkonsums in Familien, Institutionen und Arbeitsteams. Medienzeit kann auch Familienzeit bedeuten. Besonders beruhigend: Die liebsten Freizeitaktivitäten der Kinder sind gemäss MIKE-Studie trotz Minecraft, Fortnite und co. weiterhin Spielen und Draussen spielen.


Auch meine Kinder sind am liebsten draussen im Garten, auch wenn sie sehr (sehr sehr!) gerne Pokémon auf der Nintendo DS spielen. Puh, nochmal Schwein gehabt.

FoMost Du schon?

Prof. Süss sprach noch vom Phänomen des FoMo: der Angst, etwas zu verpassen (Fear of missing out). Ist etwas bedroht, wenn man offline ist? Leidet der soziale Vergleich, fehlt die Anerkennung, die Kontrolle?

Ich hatte zu Beginn meiner Twitter-Aktivtät ja wirklich Angst, den Anschluss zu verpassen. Bis ich irgendwann nur noch wie blöd durch die Timeline gescrollt habe, um ja alles von allen mitzubekommen und mitreden zu können. Heute weiss ich es besser (und kriege oft gar nicht mehr mit, wenn wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird). Ich bin dann online, wenn es gerade für mich passt. Ich verpasse viel, und das ist okay.

Wenn ihr selber unsicher seid, ob ihr FoMo habt, gibt es einen einfachen Online-Fragebogen zum Ausfüllen auf Englisch, dauert nur 1 Minute! Ich habe den Fragebogen in Bezug auf meine Online-Freunde/das Bloggen ausgefüllt und kam auf 14 Punkte. Damit gelte ich offiziell knapp als NICHT FoMo-gefährdet, juhui! (Anmerkung: Gerade eben kam die Push-Nachricht auf meinem Smartphone: «Deine Bildschirmzeit war letzte Woche 15% weniger [yayyy!!!], d.h. durchschnittlich 1 Stunde und 53 Minuten am Tag.» BITTE WAS?!?!?!?!? Das sind ja fast ZWEI Stunden! Am Tag!!! Boah. Vielleicht foMoe ich doch ein bisschen.)

Blogs, Magazine, Plattformen: Mit der Familie im Dialog

Im Anschluss gab es eine Podiumsdiskussion mit den Bloggerinnen Rita Angelone (Die Angelones/Schweizer Familienblogs), Andrea Jansen und Kathrin Buholzer (Elternplanet) sowie den Chefredaktoren Nik Niethammer (Fritz+Fränzi) und Karen Schärer (Wir Eltern). Für 45 Minuten Talk standen sehr viele Personen auf der Bühne, so dass jede einzelne leider nur wenig Redezeit hatte….

A little bit crowded…

Ich hätte noch viel länger zuhören können. Thema war hier ja «Mit der Familie im Dialog». Obwohl ich die beiden Zeitschriften sehr schätze und ja selber aus dem Printbereich komme, wurde für mich einmal mehr deutlich, woran es den Zeitschriften qua definitionem mangelt: eben just diesem direkten Dialog. Als Bloggende ist es uns möglich, direkt und ungefiltert mit den Lesern in Kontakt zu treten. Wir Blogger sind authentisch, es ist keine Redaktion vorgeschoben. Ich sehe die Aufgabe der Zeitschriften vielmehr darin, wie ein Fritz+Fränzi-Magazin Dossier-artig zu einem Thema zu informieren, in das ich mich reinbeissen kann, weil es mich wirklich interessiert. Tipps und Infos hole ich mir aber gerne von anderen Blogs.

Familien als Zielgruppen

Etwas verloren (Kontext zum Event?) stand der Vortrag von Sven Zgraggen, Leiter Programm Management Supercard & Clubs von Coop da. Es wurde das Konzept der Supercard erläutert mit Fokus auf Familien. Denn: Familien haben eine hohe Kaufkraft, rund 35% der Schweizer Haushalte haben Kinder. Der durchschnittliche Umsatz von Familien pro Woche ist bei Coop 42% höher als bei Durchschnittskunden. Okay, ich bin halt trotzdem ein Migros-Kind XP.

Auch das SRF, Abteilung Programmstrategie, stand auf der Bühne: Esther Weis und Julian Wallace, beide Medienforscher beim SRF, sprachen über die Mediennutzung im Wandel. Denn auch für das SRF ist die Familie eben eine wichtige Zielgruppe. Video on demand-Angebote wie Netflix oder YouTube ergänzen und ersetzen lineares TV. Gerade in Familien ist zeitversetztes TV (Gegenteil zu lineares TV) relevant: Erst wenn die Kinder im Bett sind, können wir unsere eigenen Serien etc. geniessen. Das Nutzungsmuster ändert sich übrigens mit dem Älterwerden offenbar nicht. Wer also heute als Jugendlicher kein lineares TV konsumiert, wird das auch im Alter nicht tun. Diesem Trend will bzw. MUSS das SRF gerecht werden, um auch in Zukunft eine Existenzberechtigung zu haben. Deshalb auch dieses Familien-Forum. Unter diesem Aspekt macht der ganze Event durchaus Sinn. Hut ab, SRF! Macht aber auch etwas daraus, gell.

Workshops und Schluss

Über Familienbilder im Wandel und das Thema Vereinbarkeit in der Schweiz sprach Sarah Büchel, Projektleiterin «Doing family». Da die Studienergebnisse noch nicht publik sind, werde ich dazu gesondert später im Jahr berichten. Nur so viel: Der Vortrag hatte es in sich!

In anschliessenden Workshops wurden Ideen für zukünftige Fernsehsendungen kreiert, Wünsche ans Radio formuliert (und auf Kassettli aufgenommen!) und Fragen zur Medienkompetenz in der Familie diskutiert.

Um 16 Uhr waren wir schon alle ziemlich ausgepowert, doch es sollte noch eine Präsentation folgen: «Werbung für Familien», gehalten von Manuel Wenzel, Executive Creative Director TBWA Zurich. Nochmals well done SRF, die Wahl war exquisit. Manuel Wenzel schaffte es, die Audience mit seinen Beispielen von unehrlicher Werbung zum Lachen zu bringen. Die Mutter schmiert selig die Nutella-Brote am Morgen und schaut dem Sohn dann glücklich vom Fenster aus zu, wie er das Brot zärtlich einem Mädchen übergibt?! Von wegen. Die Realität sieht so aus:

Leider unscharf, dennoch geil

Auch Ferien mit der Familie sind nicht Bilderbuch-like wie in der Werbung dargestellt. Ferien sind Stress! Das Ins-Bett-bringen ist Stress! Wir Eltern wissen das. Wenzel sagt deshalb: «All diese Daten stellen Konflikte da. Die Essenz guten Storytellings. Und Marken, die Konflikte benennen und lösen sind relevant.» Hey, genau wie Blogs!

Am Ende wurde ich doch noch gefilmt

Es war ja keine SRF-Sendung, sondern ein Forum, quasi eine Weiterbildung für mich. Und doch wurde ich noch interviewed zum Thema TV. Das Interview war in den Instagram-Stories von @srfschweizerradioundfernsehen zu sehen, ich habe einen Screenshot gemacht, denn ein bisschen stolz bin ich ja schon:


Was ich zum Thema Vereinbarkeit gesagt habe? Dass ich finde, dass das SRF mehr zu dem Thema bringen sollte und da auch eine Aufgabe im öffentlichen Interesse hat bzw. haben sollte. Es bewegt sich nur etwas, wenn auf verschiedenen Ebenen, und eben auch auf verschiedenen Kanälen am sozialen Konstrukt gerüttelt wird. Ausserdem habe ich aus dem Nähkästchen geplaudert und erzählt, dass wir sonntagabends immer als Familie vor dem TV Picknick machen und zeitversetzt eine Familiensendung nach Wahl schauen. Die Kinder lieben diese wöchentliche Tradition. Sie ist zur Familienzeit geworden, ganz so wie das auch Martin Süss in seinem Vortrag zum Medienkonsum in der Familie verdeutlichte.

Früher hatten wir das nicht? Wetten dass…!?

 

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