Erster Schultag nach Lockdown

Ich starre auf den Bildschirm. Irgendetwas stimmt nicht. Ich scanne die Mails. Schaue nach links zum Bücherregal. Mein Blick wandert nach rechts Richtung Fenster, während der Kopf immer noch zum Bücherregal ausgerichtet ist. Der Himmel ist grau, die Luft angenehm mild. Bald wird es regnen. Ich grüble gedankenverloren. Haben die Kinder an ihrem ersten Schultag nach dem Lockdown die Regenschirme dabei?

Starre wieder auf den Bildschirm vor mir. Was wollte ich jetzt tun? Ich scanne die Mails, beantworte eine Nachricht aus dem Team im Staccato-Stil. Soll ich jemanden anrufen?

Ich studiere das Bücherregal. Irgendetwas war doch bestimmt? Soll ich mir noch etwas zu trinken holen? Nein ich wollte doch jemanden anrufen!

Reiss Dich zusammen!

Ich nehme mir vor, Mail für Mail durchzuarbeiten. Nach zwanzig Minuten ertappe ich mich dabei, wie ich den Redaktionsplan eines meiner Magazine geflissentlich überarbeite und aktualisiere, einigermassen konzentriert mit Bleistift quer im Mund. Das ziehe ich jetzt durch und beschäftige mich nachher wieder mit den Mails. Pling! Oh! Dieses Mail da ist aber wichtig. Ich speichere das Dokument ab und verlasse den Redaktionsplan.

Es ist so verdammt ruhig im Haus. Was soll ich nur den ganzen Tag machen?! Ich starre aus dem Fenster.

KONZENTRIER DICH JETZT ENDLICH, HIMMELARSCHUNDZWIRN!!!

Das Gehirn ist ein Muskel, der trainiert werden will. Acht Wochen habe ich nun im Homeoffice mit den Kindern im Schlepptau funktioniert. Nach zwei Monaten bin ich es GEWOHNT, im Chaos zu arbeiten, stetig abgelenkt zu werden und meine Prioritäten umzuordnen. Ich habe mich angepasst. Oder vielmehr: Ich habe VERLERNT, mich zu konzentrieren. Mein Gehirn ähnelt einem Bienenstock, meine Attitüde einer Laissez-faire-Mentalität. Ich kann es ja eh nicht ändern!

Nach dem Mittagessen bin ich plötzlich im Arbeits-Modus. Ich schreibe Mail um Mail, orchestriere, redigiere, delegiere. Ich bin mit einem Mal das Mastermind meiner selbst und voll im Element. Ehe ich darüber nachdenken kann, ist 16 Uhr. Wie das Rennpferd, das losläuft, sobald die Schranke unten ist, bin ich seit 13 Uhr im Voll-Galopp. Wehe, wenn sie losgelassen! Das ist aber kein Sprint mehr, sondern mutiert zu einem Marathon. «Brrrrrr!», sage ich zu mir selbst. «Teil Dir Deine Kräfte ein.» Was ich aus Corona gelernt habe: Morgen ist auch noch ein Tag.

Am ersten Schultag nach dem Lockdown war ich wie ein Rennpferd unterwegs. – Photo by Julia Joppien on Unsplash

Also nehme ich mir Me-Time, Zeit zum Bloggen.

11. Mai 2020: Der erste reguläre Schultag nach dem Lockdown im Kanton Aargau

Um 17 Uhr sind die Kinder endlich wieder da. Der erste reguläre Schultag nicht NACH, sondern TROTZ Corona ist beendet.

Wie lange es dauern wird, bis mein Gehirn sich wieder an die neue Situation angepasst hat? Morgen. Morgen ist auch noch ein Tag.

 

2 thoughts on “Erster Schultag nach Lockdown

  1. Heute ist mein erster Tag seit 8 Wochen ohne Kinder… ich sollte arbeiten aber lese deinen Blog (soviel zum Thema Konzentration).. und dies Uhr hinter mir… hat die schon immmer so laut getickt????

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