Kinder im Lebenslauf erwähnen?

Wir stellen im Verlag wieder jemanden ein. Es ist eine Teilzeitstelle zu 50%, und es meldeten sich nur Frauen auf unser Stelleninserat. Das lasse ich mal so stehen. Was mir aber diesmal auffiel: Keine der Bewerberinnen erwähnte ihre Kinder im Lebenslauf. Das kam mir Spanisch vor. Ich erkläre exemplarisch wieso.

Frau A hat einen super Lebenslauf. Zum Zivilstand schreibt sie nichts. Beim beruflichen Werdegang steht irgendwo etwas von «kein Abschluss XY wegen Komplikationen während der Schwangerschaft». Wir laden sie zum Gespräch ein, denn der Lebenslauf ist wie gesagt sehr gut. Aber ich habe Fragen. Ich erfahre: Die zwei Kinder sind wohlauf. Frau A ist sauer, dass ich sie auf die Kinder anspreche, denn «Kinder haben nichts mit meiner Qualifikation zu tun». Ich erkläre, dass es für mich nach Verstecken aussieht, wenn sie die Kinder nicht aufführt: «Ein einfaches ‘zwei Kinder, Betreuung gewährleistet’ hätte mir genügt.» Sie findet mich antiquiert, einen Mann würde ich das nicht fragen. Doch, würde ich. Oder nicht?

Frau B hat ebenfalls einen super Lebenslauf. Zum Zivilstand schreibt sie nichts, keine Kinder im Lebenslauf. Allerdings steht im Motivationsschreiben, dass sie begeisterte Mama von zwei kleinen Kindern ist. Wir laden Frau B zum Gespräch ein, ich frage nach dem Alter der Kinder, 3 und 6. Nächster Punkt. Wir haben Frau B eingestellt.

Gehören Kindern nicht mehr in den Lebenslauf?

Ich war ehrlich irritiert, dass die beschriebenen Bewerberinnen keine Angaben zum Zivilstand gemacht haben. Vor allem das Gespräch mit Frau A hat mich aufgewühlt. Gehöre ich mit 43 zum alten Eisen und weiss nicht mehr, was aktuell Standard beim Bewerbungsverfahren ist? Bin ich sexistisch geworden, ausgerechnet ich, die ich mich so für Gleichstellung und Vereinbarkeit stark mache? Darf man Bewerbende nicht nach Kindern fragen, nur weil sie Frauen sind? I don’t get it.

Ob jemand Kinder hat oder nicht, ist für mich durchaus relevant – im positiven Sinn. Ich sage es immer wieder: Berufstätige Mütter habe keine Zeit zu verplempern. Sie sind organisiert und strukturiert. Die konzentrierte Arbeit ist eine Erholung gegenüber dem Chaos zuhause, die Motivation deshalb gross. Das Risiko, dass Mütter noch mehr Kinder haben wollen und wieder schwanger werden, ist geringer als bei kinderlosen Bewerberinnen. Mütter, egal ob verheiratet, getrennt oder geschieden, sind stabil und belastbar. Benachteilige ich somit kinderlose Menschen? Ich denke nicht, denn ich stelle auch diese ein. Das Muttersein ist für mich als Arbeitgeberin einfach kein Handicap.

Da ich selbst Mutter bin, finde ich es befremdlich, die Kinder im Lebenslauf nicht zu erwähnen. Sie gehören doch zu einem dazu und zeugen von der Resilienz der Bewerbenden, egal ob Mann oder Frau. Sicher, über das im CV zu erwähnende «Betreuung gewährleistet» kann man sich streiten. Das würde ich bei einem Mann vermutlich nicht im CV erwarten – was falsch von mir, von der Gesellschaft ist! Aber die Kinder verleugnen?

Gehören für euch Kinder in den Lebenslauf oder eben bewusst nicht? – Photo by Markus Winkler on Unsplash

Rechtslage zur Erwähnung von Kindern im Lebenslauf

Ich habe dann dazu recherchiert und folgendes herausgefunden: In Deutschland greift hier das Antidiskriminierungsgesetz, wobei der Familienstand nicht explizit als Punkt aufgeführt wird, allerdings in der Diskussion steht. Aha, deutsche CVs basieren auf einer anderen rechtlichen Grundlage als in der Schweiz! Deutsche Bewerberinnen verzichten deshalb eher auf die Erwähnung des Zivilstands (und wir haben viele deutsche Arbeitende in der Schweiz). Könnte hier aber nicht auch die – aus Sicht der Arbeitgeber als «Problem» zu wertende – lange Elternzeit ausschlaggebend sein? Deutsche Arbeitgeber zögern vielleicht eher, jemanden einzustellen, bei dem noch eine lange Elternzeit zu erwarten ist. Dem gegenüber haben wir in der Schweiz nur ein paar Wücheli Mutterschafts«urlaub» und neu (yeah!) zwei Wochen (!!!) Vaterschafts«urlaub». Wer in der Schweiz trotz Kindern arbeiten will, tut es – zwangsläufig. Dass der Lohn dabei meist für die Fremdbetreuungskosten drauf geht, steht auf einem anderen Blatt Papier geschrieben.

In der Schweiz gibt es keine Vorgaben, ob Kinder im Lebenslauf stehen müssen oder nicht. Eine schöne Zusammenstellung, was dafür spricht, die Kinder eben nicht zu unterschlagen, liefert die Schweizer Juristin Patricia Kälin:

  • Es handelt sich um eine Teilzeitstelle
  • Ausdruck privater Stabilität (ja! ja! und nochmals ja!)
  • Kinder sind Ü12
  • Mit offenen Karten spielen (ja! ja! und nochmals ja!)
  • Kinder nicht erst im persönlichen Gespräch ansprechen müssen

Auch andere Schweizer Seiten wie die Bewerbungsplattform Monster oder Bewerbungsratgeber sagen, dass die Erwähnung der Kinder (fakultativ) in den Lebenslauf gehört. Nirgends steht, man solle darauf verzichten. Ich selbst habe bis zu meiner Selbständigkeit im Jahr 2014 ganz am Ende des Lebenslaufs folgendes geschrieben und würde das immer noch so machen (halt mittlerweile einfach mit 2 statt mit 1 Kind:

Was das mit mir macht

Rechtlich gesehen können die Kinder im Lebenslauf gut weggelassen werden aus dem CV, unter Gender-Aspekten kann man auch bewusst darauf verzichten. Ich, auf der anderen Seite des Tisches sitzend, finde es aber einfach extrem mühsam und nervig, mir die Infos aus dem Lebenslauf zusammenklauben und zusammenreimen zu müssen. Ich habe jetzt verstanden, dass es kein Unterlassungsfehler ist und werde das Fehlen der Kinder im Lebenslauf keiner bewerbenden Person (egal ob Mann oder Frau!) mehr ankreiden. Scheisse finde ich es trotzdem.

Und da ich nun nicht mehr davon ausgehen kann, dass Kinder im Lebenslauf ausgewiesen werden, werde ich bei jedem Bewerbungsgespräch explizit nach Kindern fragen (müssen). Gut, gell?!

Aufruf zur Blogparade

Mich würden hier echt eure Meinungen und Erfahrungen im Alltag interessieren. Sind eure Kinder im Lebenslauf erwähnt? Wenn ja: warum? Wenn nein: warum nicht? Wenn ihr sie unterschlagt: Möchtet ihr wirklich in einem Unternehmen arbeiten, wo ihr nur hinkommt, wenn die Kinder nicht erwähnt sind? Sollten wir nicht eher daran arbeiten, dass wir Männer in Bewerbungsgesprächen nach der Betreuung der Kinder fragen, anstatt die Kinder in den CVs der Frauen zu verheimlichen?

Wenn ihr dazu einen eigenen Blogpost schreibt, verlinkt euch doch hier in den Kommentaren, damit ich euch finde. Ein Verweis auf meinen Blogpost in eurem Artikel wäre nett. Ich kann dann eine Auswertung/Zusammenfassung dazu schreiben. Teilnahmeschluss ist der 1. Dezember 2020.

5 thoughts on “Kinder im Lebenslauf erwähnen?

  1. Ich bin dazu übergegangen nichts über meine persönliche Situation im Lebenslauf zu schreiben. Weder Familienstand, noch Kinder, Elternzeiten oder Hobbies. Früher gab es ja noch die Kategorie „Berufe der Eltern“ und Geschwister. Sollte das alles von Interesse sein, kann man darüber beim persönlichen Gespräch reden. Aber über die fachliche Qualifikation sagt das erst mal nichts aus. Es sei denn man war während des einzigen Beschäftigungsverhältnisses 3 von 4 Jahren in Elternzeit; das fände ich dann tatsächlich etwas suboptimal. Und ebenso wenn ich nach 3 Scheidungen jetzt in einem gleichgeschlechtlichen Patchworkkonstrukt mit 3 leiblichenn und 4 adoptierten Kindern lebe, dann hat auch das nichts im Lebenslauf zu suchen. Strenggenommen muss man nicht mal mehr ein Foto beifügen. Letzteres tue ich dennoch.
    Zudem ist es so, dass auch kein Mann seine Elternzeiten und ähnliches im Lebenslauf erwähnt. Selbst wenn es im Vorstellungsgespräch zum Thema wird, ist das bei einem Mann tendenziell ein nettes Feature, im Sinne von er ist wohl sozial tauglich, sonst wäre er nicht verheiratet mit Kind. Bei Frauen sind Kinder mehrheitlich bzw. In Abhängigkeit vom Arbeitgeber leider immer noch ein Problemfaktor. Da sind wir doch nach wir vor supermittelalterlich unterwegs.
    Von mir daher ein klares Statement fürs Weglassen!!
    VG

  2. Ich bin stolz auf meinen „privaten Erfolg“ und erwähne meine Kinder ganz selbstverständlich im Lebenslauf. Verheiratet, zwei Kinder. Als ich meine jetzige Stelle angenommen habe (40 Stunden/Woche in einer damals 500 km entfernten Stadt), waren die Minis 3 und 4 Jahre alt. Die Stelle habe ich bekommen – trotzdem oder deshalb oder ohne dass es eine Rolle gespielt hätte? Für mich ist die Mutterschaft eine persönliche Stärke, die ich nicht verschweigen muss/will. Inzwischen sind wieder 4 Jahre vergangen und inzwischen denke ich, dass es sowieso keinen beruflichen Nachteil mehr geben würde, da die Kleinkindzeit hinter uns liegt. Einzig die Gefahr einer neuen Schwangerschaft steht noch im Raum, denn ich bin 33 Jahre. Da würde noch was gehen. Aber da deutsche Frauen eher wenige Kinder bekommen, sind Arbeitgeber vielleicht sogar entspannter, wenn ich schon zwei Kinder habe? Who knows.

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