Ein Hundeleben

Ich habe Dich schon als Welpe gekannt. Ein kleines, weisses Wollknäuel mit scharfen Zähnen. Beim Spielen hast Du mich jeweils blutig geknabbert, weil Du Deine Kräfte noch nicht im Griff hattest. Und wir haben viel gespielt, als Du noch klein warst. Wir sind zusammen spazieren gegangen, in der Wildnis des französischen Languedoc-Roussillon. Du hast alles und jeden angebellt. Stundenlang habe ich Dich gestreichelt, obwohl Du gar nicht «mein» Hund warst. Dann kamen die Kinder. Und Du mochtest keine Kinder, weil sie Dir Angst machten. Also machtest Du gerne einen Bogen um sie, wenn wir zu Besuch kamen. Aber Du warst immer da bei uns, und als die Kinder älter wurden, durften sie Dich auch streicheln. Dein Lieblingsplatz war im Schatten auf dem Vorplatz unter dem Auto. Oder vor der Haustür. Oder auf dem Rücken liegend selig dösend neben dem Sofa – mit den Pfoten gegen den Himmel.

Gestern hat Dein altes Herz aufgehört zu schlagen. Es war absehbar, denn Du warst 15 Jahre und 4 Monate alt und schon sehr gebrechlich. Meine Mutter war bei Dir, als Du Deinen letzten Atemzug getan hast. Sie hat mir den Moment geschildert, und es ist herzzerreissend. Shyla, ich habe Dich länger gekannt als meinen Mann. Du warst eine Konstante im Leben meiner Eltern, warst Teil der Familie. Du wurdest geliebt und hast ihnen im Gegenzug so viel Liebe geschenkt und auch Trost gespendet. Eine treue Seele bis zum Ende Deiner Tage. Ich kann nicht glauben, dass Du jetzt weg bist. Das Leben ist Veränderung. Dazu gehört auch, Abschied zu nehmen. Und das tut sehr weh. Ich trauere mit meinen Eltern, deren Leben jetzt nicht mehr das gleiche ist wie zuvor. Sie sind so weit weg und ich kann ihren Schmerz nicht wirklich tragen helfen. Jeder von uns weint für sich. Immer bin ich zu weit weg. Ein paar Jahre mehr als ein Hundeleben wohnen sie jetzt schon in Südfrankreich.

Stattdessen habe ich heute Abend den Kindern von Shylas Tod erzählt und meinen weinenden Sohn getröstet, der aufgebracht heulte: «Wie konnte Shyla uns das antun!»

RIP, kleiner grosser Hund! Ich liebe Dich!

Bild von 2005

1 thoughts on “Ein Hundeleben

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert